Diabetes

Diabetes
  • Ein GdB von 50 wegen eines Diabetes mellitus erfordert nicht nur mindestens vier Insulininjektionen pro Tag und ein selbstständiges Anpassen der Insulindosis. Zusätzlich müssen gravierende Beeinträchtigungen in der Lebensführung vorliegen.

    Solche gravierenden Beeinträchtigungen sind nicht schon deshalb zu bejahen, weil die krankheitsbedingten Einschränkungen und die Insulintherapie für einen im Schichtdienst auf auswärtigen Baustellen tätigen Straßen- und Tiefbaufacharbeiter mit größeren Schwierigkeiten verbunden sind als für einen Diabetiker, der einer Bürotätigkeit nachgeht. Ebenso wenig führt es zu einer Erhöhung des GdB, dass der Betroffene die stabile Einstellung des Diabetes mellitus neben der exakten Medikation durch ein verantwortungsbewusstes Ernährungsverhalten und eine gesundheitsorientierte Lebensweise erreicht.


    Landessozialgericht Sachsen-Anhalt 7. Senat
    30.01.2019
    L 7 SB 41/17
  • Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 SB 2/13 R - juris Rdnr. 21) sind die mit der in Teil B Nr. 15.1 Abs. 4 der Anlage zu § 2 VersMedV vorausgesetzten Insulintherapie zwangsläufig verbundenen Einschnitte nicht geeignet, eine zusätzliche ("und") gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung hervorzurufen. Berücksichtigungsfähig ist danach nur ein dieses hohe Maß noch übersteigender, besonderer Therapieaufwand.

    Daneben kann ein unzureichender Therapieerfolg die Annahme einer ausgeprägten Teilhabebeeinträchtigung rechtfertigen. Schließlich sind auch alle anderen durch die Krankheitsfolgen herbeigeführten erheblichen Einschnitte in der Lebensführung zu beachten.


    Hessisches Landessozialgericht 3. Senat
    19.11.2019
    L 3 SB 78/18
  • Einschränkungen bei der Nahrungsaufnahme (Achtung auf eine kohlenhydratarme Kosten, regelmäßige Mahlzeiten, abendliche Mahlzeiten, um nächtliche Hypoglykämien zu vermeiden, Vermeidung und Ersetzung bestimmter Lebensmittel wie Zucker, Honig und Weizen, ggf. Abwarten einer halben oder einer Stunde bis zum Essen, wenn die gemessenen Werte noch zu hoch seien), bei Autofahrten (Vermeidung längerer Autofahrten, um andere Verkehrsteilnehmer nicht zu gefährden; kürzere Autofahrten – z.B. zur Arbeit – nur nach vorheriger Blutzuckermessung) und bei Reisen (Urlaubsreisen nur mit dem Flugzeug) bedeuten zwar eine „stärkere“ Teilhabebeeinträchtigung i.S.v. Nr. 15.1 Abs. 3 AnlVersMedV; das Ausmaß einer darüber noch hinausgehenden „ausgeprägten“ Teilhabebeeinträchtigung (Teil B Nr. 15.1 Abs. 4 AnlVersMedV) erreichen sie hingegen nicht.

    Die durch erhebliche Ein- schnitte bewirkte gravierende Beeinträchtigung in der Lebensführung kann auf Besonderheiten der Therapie beruhen, etwa wenn ein Erkrankter aufgrund persönlicher Defizite für eine Injektion erheblich mehr Zeit benötigt, als ein anderer im Umgang mit den Injektionsutensilien versierter Mensch; Einschnitte in der Lebensführung zeigen sich daneben auch bei einem unzulänglichen Therapieerfolg, also an der Stoffwechsellage des erkrankten Menschen.


    Landessozialgericht Rheinland-Pfalz 6. Senat
    23.09.2020
    L 6 SB 116/19
  • Aus dem Zusammenspiel der drei Beurteilungskriterien der Teil B Nr 15.1 Abs 4 AnlVersMedV (erheblich, gravierend, ausgeprägt) folgt, dass die mit der dort vorausgesetzten Insulintherapie zwangsläufig verbundenen Einschnitte nicht geeignet sind, eine zusätzliche ("und") gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung hervorzurufen.

    Berücksichtigungsfähig ist daher nur ein dieses hohe Maß noch übersteigender, besonderer Therapieaufwand. Daneben kann - wie oben ausgeführt - ein unzureichender Therapieerfolg die Annahme einer ausgeprägten Teilhabebeeinträchtigung rechtfertigen. Schließlich sind auch alle anderen durch die Krankheitsfolgen herbeigeführten erheblichen Einschnitte in der Lebensführung zu beachten.


    BSG 9. Senat
    16.12.2014
    B 9 SB 2/13 R
  • Eine gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung beim Diabetes kann nicht allein deshalb abgelehnt werden, weil die zu einer Teilhabebeeinträchtigung führenden erheblichen Einschnitte nur einen einzelnen Lebensbereich betreffen.


    Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen 10. Senat
    29.11.2017
    L 10 SB 399/15
  • Bei an Diabetes erkrankten Menschen kann auch durch die Entziehung der Fahrerlaubnis bzw. die Feststellung, dass wegen des Diabetes die Voraussetzungen zum Führen von Kraftfahrzeugen bestimmter Fahrerlaubnisklassen nicht erfüllt sind, das Merkmal der erheblichen Einschnitte und gravierenden Beeinträchtigungen der Lebensführung erfüllt sein.


    SG Frankfurt 3. Kammer
    23.05.2018
    S 3 SB 338/16
  • Außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellagen liegen sowohl bei Hypoglykämien vor, die jeweils der dokumentierten invasiven Fremdhilfe bedürfen, als auch bei schweren hyperglykämischen Stoffwechselentgleisungen.

    Diese sind beispielsweise dann gegeben, wenn nur durch wiederholte stationäre Behandlungen eine zufriedenstellende Einstellung gelingt oder wiederholt Stoffwechselentgleisungen ohne erklärbare Ursachen - etwa in der Nacht - auftreten.


    Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen 6. Senat
    02.12.2021
    L 6 SB 11/20
  • 1. Ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 für Diabetes mellitus setzt mindestens vier Insulininjektionen pro Tag, ein selbständiges Anpassen der Insulindosis sowie gravierende und erhebliche Einschnitte in der Lebensführung voraus (vgl BSG vom 2.12.2010 - B 9 SB 3/09 R = SozR 4-3250 § 69 Nr 12).

    2. Gravierende Einschränkungen im Bereich der beruflichen Tätigkeit liegen vor, wenn die krankheitsbedingten Einschränkungen bereits den beruflichen Kernbereich und nicht nur punktuelle Einschränkungen bei besonderen beruflichen Belastungen betreffen.

    3. Gravierende Auswirkungen der Krankheit in nur einem Lebensbereich (hier im Beruf) genügen unter Berücksichtigung der weiteren Teilbereiche (Planung des Tagesablaufs, Gestaltung der Freizeit, Zubereitung der Mahlzeiten und Mobilität) im Regelfall nicht, um insgesamt eine gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung annehmen zu können.


    Landessozialgericht Sachsen-Anhalt 7. Senat
    23.04.2014
    L 7 SB 40/12
  • Bei Kindern, welche an Diabetes melitus erkrankt sind, ist regelmäßig ab dem Kindergartenalter (Vollendung des dritten Lebensjahres) ein GdB von 50 für die Erkrankung anzunehmen, sofern die Notwendigkeit der ständigen Überwachung und Betreuung besteht, was regelmäßig der Fall ist, sofern nicht ein "geschlossenes System" von Blutzuckersensor und Pumpe zum Einsatz kommt, bei welchem der Sensor unmittelbar die abgegebene Insulinmenge über die Pumpe steuern kann.
    SG Aachen 26. Kammer   18.11.2020    S 26 SB 965/17
  • Der in Teil B Nr 15.1 Abs 4 VmG beschriebene Therapieaufwand reicht für die Annahme gravierender Beeinträchtigungen in der Lebensführung und damit eines GdB von 50 allein nicht aus.

    Auch durch die Diabetestherapie verursachte Einschränkungen bei Reisen oder dem Besuch öffentlicher Veranstaltungen begründen allein keine gravierenden Beeinträchtigungen in der Lebensführung, können aber im Zusammenwirken mit weiteren durch den Diabetes hervorgerufenen Einschnitten im Rahmen der anzustellenden Gesamtbetrachtung diese Annahme rechtfertigen.

    Die Berücksichtigung von Folgeerkrankungen des Diabetes im Rahmen vom Teil B Nr 15.1 Abs 4 VmG erfordert nicht, dass diese Folgeerkrankungen auch isoliert mit einem GdB zu bewerten sind.
    Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht 2. Senat   14.02.2020   L 2 SB 54/18 

  • Soweit es die Feststellung eines GdB von 50 betrifft, enthält Teil B Nr 15.1 Abs 4 AnlVersMedV nF seinem Wortlaut nach drei Beurteilungskriterien: täglich mindestens vier Insulininjektionen, selbstständige Variierung der Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung sowie eine (durch erhebliche Einschnitte) gravierende Beeinträchtigung in der Lebensführung. Diese Kriterien sind nach Auffassung des Senats nicht jeweils gesondert für sich genommen starr anzuwenden; vielmehr sollen sie eine sachgerechte Beurteilung des Gesamtzustandes erleichtern (BSG Urteil vom 25.10.2012 - B 9 SB 2/12 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 16 RdNr 34).

    Insoweit ist es nicht erforderlich, dass ausnahmslos an allen Tagen eine Anzahl von vier Insulininjektionen durchgeführt wird. Hierzu hat der Senat bereits entschieden, dass eine Bewertung des GdB, die sich ausschließlich an der Zahl der Insulininjektionen pro Tag orientiert, nicht überzeugt. Vielmehr ist der Therapieaufwand neben der Einstellungsqualität zu beurteilen (s Urteil vom 24.4.2008, aaO RdNr 40). Dazu hat der Senat ausgeführt, dass der GdB relativ niedrig anzusetzen sein wird, wenn mit geringem Therapieaufwand eine ausgeglichene Stoffwechsellage erreicht wird, und der GdB bei (in beeinträchtigender Weise) wachsendem Therapieaufwand und/oder abnehmendem Therapieerfolg (instabiler Stoffwechsellage) höher einzuschätzen sein wird (aaO). Obwohl die Begründung der Zweiten Verordnung zur Änderung der VersMedV insoweit inhaltlich keine konkrete Aussage trifft (BR-Drucks 285/10), wollte der Verordnungsgeber der Rechtsprechung des BSG erklärtermaßen folgen (s BR-Drucks 285/10 S 3). Es ist daher davon auszugehen, dass er bei der Neufassung des Teil B Nr 15.1 AnlVersMedV zum 22.7.2010 die Zahl von vier Insulininjektionen am Tag nicht als absoluten Grenzwert angesehen hat (BSG Urteil vom 25.10.2012, aaO RdNr 35).

    Des Weiteren verlangt das Erfordernis einer "selbstständigen" Variation in der Insulindosis kein "ständiges" Anpassen der Dosis. Entscheidend ist die Abhängigkeit der jeweiligen Dosierung vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung. Sie kann demnach unter Umständen auch mehrfach gleich bleiben. In keinem Fall ist insoweit allein auf die Anzahl von zusätzlichen Korrekturinjektionen abzustellen (BSG Urteil vom 25.10.2012, aaO RdNr 36).

    BSG 9. Senat   17.04.2013    B 9 SB 3/12 R
  • Eine Diabetes Mellitus-Erkrankung bedingt erst dann einen Grad der Behinderung von 50, wenn die betroffene Person auch unter Berücksichtigung des Therapieaufwands insgesamt in ihrer Lebensführung erheblich beeinträchtigt ist.

    BSG 9. Senat   16.03.2016     B 9 SB 1/15 R
  • Der in Teil B Nr 15.1 Abs 4 VmG beschriebene Therapieaufwand reicht für die Annahme gravierender Beeinträchtigungen in der Lebensführung und damit eines GdB von 50 allein nicht aus. Auch durch die Diabetestherapie verursachte Einschränkungen bei Reisen oder dem Besuch öffentlicher Veranstaltungen begründen allein keine gravierenden Beeinträchtigungen in der Lebensführung, können aber im Zusammenwirken mit weiteren durch den Diabetes hervorgerufenen Einschnitten im Rahmen der anzustellenden Gesamtbetrachtung diese Annahme rechtfertigen.
    Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht 2. Senat   14.02.2020     L 2 SB 54/18
  • Bei erforderlicher zweimaliger Blutzuckermessung am Tag und zusätzlicher Einnahme des Medikaments Januvia sowie Injektion des Langzeitinsulins Lantus sowie vermehrtem Auftreten von Hypoglykämien nachts und bei leicher körperlicher Bewegung kann ein Einzel-GdB von 40 in Betracht kommen.
    Landessozialgericht Berlin-Brandenburg 13. Senat   24.10.2019     L 13 SB 158/17


  • Versorungsmedizinische Grundsätze
    in der Fassung der 5. Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizin-Verordnung


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